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Ein Kaiser, den schließlich niemand mehr wollte

Vortrag von Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner am 20. März 2019, Kooperationsveranstaltung mit ArcheKult

Am 23. März 1919 bestieg der letzte Kaiser von Österreich im niederösterreichischen Eckartsau-Kopfstetten den Zug und trat seine Reise in das Schweizer Exil an. Fast auf den Tag 100 Jahre später zeichnet Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner für das Publikum seines Vortrags in Traunkirchen in seinen Schilderungen über die Geschehnisse um die Geburt der Republik Österreich das Bild des um Frieden bemühten und sich zurücknehmenden Modernisiers. Der letzte Kaiser von Österreich, Karl I, scheiterte in seiner Allianz mit dem Deutschen Reich zunächst in allen seinen Friedensbemühungen und musste, um endlich Frieden herzustellen und den Weg für Reformen freizumachen, schmerzhafte Kompromisse eingehen, die letztlich zum völligen Machtverlust führten.

Manfried Rauchensteiner beschreibt die Transition von der Monarchie in die Republik Österreich als "Hinübergleiten", aus historischer Sicht überraschend ohne große Revolution. Die Erzählungen des Historikers in seinem Vortrag lassen Karl I etwas verloren wirken: Ein Kaiser, der ohne Mitschuld den Krieg erbte, der erst bei seiner Thronbesteigung politische Verantwortung übernehmen konnte, der um jeden Preis den Frieden wollte, und der schließlich selbst von niemandem mehr gewollt wurde. Für Rauchensteiner dennoch unverständlich erfolgte beim Grenzübertritt in die Schweiz der große Bruch in der Biographie des letzten Kaisers, als er im Feldkircher Manifest seine Verzichtserklärung hinsichtlich der österreichischen Staatsgeschäfte wiederrief - ein Ausdruck verletzter Ehre und Enttäuschung darüber, die Zukunft der Republik Österreich nicht mitgestalten zu dürfen.

Seine Schilderungen der historischen Geschehnisse ergänzte Prof. Rauchensteiner durch Anekdoten aus seiner Forschung und bot dadurch Einblicke in die durchaus spannungsreiche Arbeit von HistorikerInnen.