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Krisenmanagement auf wissenschaftlicher Basis

Wissenschaftliche Ergebnisse waren für Politik und Gesellschaft in den letzten 1,5 Jahren sehr gefragt. Antworten und Lösungen für aktuelle Fragen im Rahmen der Pandemie mussten her und die Wissenschaft hat geliefert. Auf der ganzen Welt wurde der Fokus auf die Bewältigung des Problems und seiner Folgen gelegt und neues Wissen möglichst ohne Umwege kommuniziert.

Doch die Rahmenbedingungen für die Forscher*innen waren mitunter schwierig. Das betraf z.B. die notwendigen finanziellen Ressourcen, aber auch den Zugang zu relevanten Informationen und Daten. Wissenschaftliche Aussagen wurden im Prozess der notwendigen Verkürzung auch oft aus dem Kontext genommen und missverständlich dargestellt. Dabei bedarf es gerade in einer Krise wie der aktuellen der faktenorientierten Auseinandersetzung, hoher Transparenz und möglichst klarer, evidenzbasierter Entscheidungen.

Kolloquium in Traunkirchen

Bei einem interdisziplinären Workshop der Internationale Akademie Traunkirchen (IAT) traf eine Gruppe Studierender auf Dr. Andreas Bergthaler (Molekularbiologe, Österreichische Akademie der Wissenschaften), Prof. Reinhard Heinisch (Politikwissenschaftler, Paris Lodron Universität Salzburg), Dr. Niki Popper (Mathematiker und Informatiker, TU Wien), Prof. Christiane Spiel (Bildungspsychologin, Universität Wien) und Dr. Birgit Weinberger (Immunologin, Universität Innsbruck), um nach Vorträgen, Erfahrungsberichten und Rollenspielen unter der Anleitung der Wissenschaftler*innen gemeinsam Lösungsstrategien für zukünftige Krisen zu erarbeiten.
Fünf wesentliche Kernpunkte wurden als identifiziert: 1) ein zentraler Datenzugang für Öffentlichkeit, Wissenschaft und Politik unter Berücksichtigung des Datenschutzes, 2) transparent arbeitende und international vernetzte ExpertInnengremien, welche neue Daten integrieren und Krisenpläne anpassen bzw. weiterentwickeln, 3) Kommunikation zwischen Entscheidungsträger*innen und Bevölkerung und von wissenschaftlichen Ergebnissen und Herangehensweisen unter Einbeziehung des gesamten Bildungssystems, 4) Transparenz und Konsistenz bei der Planung und Durchführung von Maßnahmen und 5) die Achtung persönlicher Rechte und Freiheiten.

Podiumsdiskussion zum Thema: „Krisen in Zukunft bewältigen“

Zum Abschluss des Workshops lud die IAT zu einer von Prof. Anton Zeilinger moderierten öffentlichen Podiumsdiskussion ein, bei dem der Großteil der oben genannten Wissenschaftler*innen und der Volkswirt Prof. Rudolf Winter-Ebmer vertreten waren. Die Erfahrungen der Jahre 2020 und 2021 haben gezeigt, dass Österreich, wie auch andere Länder, für diese Art Krise in vielen Bereichen nicht vorbereitet war. Während Simulationsexperte Popper sich zufrieden mit der Improvisationsfähigkeit zeigte, die über weite Strecken an den Tag gelegt wurde, sieht er allerdings noch Bedarf bei der Weitsichtigkeit bzw. Vorbereitung auf herannahende Krisen wie der Klimakrise. Die schnelle Impfstoffentwicklung und die Anwendung der mRNA-Technologie gibt Hoffnung auf weitere hochwirksame Impfstoffe, wie etwa gegen Malaria, sagte Immunologin Weinberger. Winter-Ebmer und Bergthaler sehen die möglichst flächendeckende Durchimpfung auf globaler Ebene als eine der wichtigsten Strategien für die aktuelle Pandemie, was als Blick in die Zukunft auch einen engeren globalen Schulterschluss nach sich zieht. Neue und bereits verfügbare Impfstoffe könnten zudem auch in Gebieten der Welt eingesetzt werden, die bisher nicht ausreichend Zugang zu Impfungen haben, wenn die jetzt anlässlich der Corona-Pandemie geschaffene Infrastruktur nachhaltig gestaltet wird.
Volkswirt Winter-Ebmer hält eine starke Zusammenarbeit von privater Wirtschaft und staatlichen Institutionen in Krisensituationen für notwendig, so wie dies im Falle der Entwicklung der Impfstoffe passiert ist. Die Politik sieht jetzt externe Effekte (individuelle Aktionen, die sich auf andere Personen auswirken), viel klarer: das wurde durch das Abstandhalten und die Impfungen einsichtig und wird im Klimawandel noch wichtigen werden.
Mit Blick auf China und die dort über weite Strecken effektive Eindämmung der Pandemie und mit Lockdowns einhergehende Rezession fragte Zeilinger nach der Effektivität einer Demokratie bei der Bewältigung einer solchen Krise. Politikwissenschaftler Heinisch erklärte, dass Funktionsträger in einer Demokratie nicht notwendigerweise nach unabhängigen Idealen agieren, sondern deren Verhalten auf die Wiederwahl in vergleichsweise kurzen Intervallen ausgelegt ist. Die Einrichtung eines unabhängigen Krisenmanagementstabs, wie es ihn in den USA gibt, könnte die inhärenten und strategischen Gegensätze zwischen politischen Akteuren (Parteien) umgehen und somit auch in einer Demokratie zur rascheren Lösungsfindung beitragen. Weiters sah er eine wichtige Aufgabe darin, die gesellschaftliche Spaltung, welche zur Politisierung primär gesundheitsorientierter Maßnahmen führt, zu entschärfen.
Diese Veranstaltung hat aufgezeigt, dass interdisziplinäre Zugänge für eine gesamtheitliche Krisenbeurteilung wesentlich sind. Die zahlreichen kreativen Beiträge der jungen Teilnehmer des Workshops geben Hoffnung, dass die derzeitige Pandemie eine Chance für Strukturänderungen bietet, damit Österreich auf zukünftige Krisen noch besser reagiert.